Mit der Tagline “We believe Virtual Reality is the future of jornalism” machen die Pariser OKIO-Studios gerade im Bereich der Virtuellen Realität bzw. mit der immersiven Kraft von 360°-Videos auf sich aufmerksam. Der Frage, ob die Zukunft wirklich in der neuen Art bewegte Bilder zu betrachten liegt, oder der Journalismus – egal in welchem medialen Kontext – wieder eher langsamer, unaufgeregter, dafür aber tiefer und detailverliebter sein sollte, will ich an dieser Stelle gar nicht nachgehen.
In der Tat ist es beeindruckend bedrückend sich die Oculus Rift auf die Nase und die geschlossenen Kopfhörer auf die Ohren zu setzen, die Lautstärke ein klein wenig höher als gewohnt einzustellen und sich nach Syrien in die 40.000-Einwohnerstadt Jisr Ash-Shughur zu begeben (bzw. das was davon übrig geblieben ist). Zum Glück nur virtuell!
Schon bevor ich mich in der virtuellen 360°-Kugel orientiert habe, höre ich das entfernte Donnergrollen von einschlagenden Bomben und das Rattern von Schüssen, deren genaue Richtung nicht lokalisiert werden kann.
Die Stadt ist völlig zerstört. Nur vereinzelt laufen Menschen von links nach rechts, von vorne nach hinten. Ich blicke ihnen nach und sehe, egal in welche Richtung ich meinen Blick wende, doch einfach nur mehr zerstört Häuser, Schuttberge und ausgebrannte Fahrzeuge. Es ist erschütternd und so viel näher als der zweidimensionale Ausschnitt der Welt, über den wir an Fernsehern und Bildschirmen versuchen, uns ein Bild von solchen Orten zu machen!
Doch die Angst vor den nächsten Bomben, die verzweifelte Suche nach Trinkwasser, nachdem die Wasserversorgung der Stadt zusammengebrochen ist, die Nächte in vom Einsturz gefährdeten Häusern und die Frage, wann die Krieger wieder hier an diese Stelle zurückkehren und ihre Zerstörungskraft erneut wütet… all das bleibt weit entfernt.
Ich nehme Brille und Kopfhörer ab, lausche der Stille im Zimmer und trinke einen Schluck Wasser. Mein Mund ist trocken.
[…] siehe u.A. Wie real ist die Virtualität? […]